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Beitrag vom 09.05.2005
Metamorphosen - Mona Lisa und Amor in neuem Gewand
Angelika von Stocki
Gemeinsames Projekt von Angelika von Stocki, Künstlerin und Kunsterzieherin mit SchülerInnen des Lilienthal-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit der Gemäldegalerie. Zu sehen vom 13.05. bis 17.07.2005
Pünktlich zum Beginn des Berliner Karnevals der Kulturen lassen die Schüler und Schülerinnen des Lilienthal - Gymnasiums in Berlin - Lichterfelde den berühmten "Amor" von Caravaggio ebenfalls auf dem traditionellen Straßenumzug auftreten.
So werden vom 13. Mai bis 17. Juli 2005 in der Eingangshalle der Gemäldegalerie insgesamt 39 SchülerInnenarbeiten als Ergebnisse eines Kunstprojektes (Projektleiterin: Angelika von Stocki) präsentiert, das in Zusammenarbeit mit den Besucher-Diensten und der Gemäldegalerie entstanden ist.
Caravaggios "Amor als Sieger" wurde dabei in einen modernen Kontext gestellt und neu interpretiert. Mit farbenfrohen Kostümen und Trikots gibt er hier eine tänzerische und musikalische Figur ab, die vielen Kulturen entstammt und für den Frieden in der Welt steht. Dank seiner Kulturübergreifenden Tradition bietet der Karneval der Kulturen allen Menschen jeglicher Herkunft die Gelegenheit zur Selbstinszenierung. Auch uner Amor setzt sich in phantasievoller Kleidung in Szene und überrascht als Spiderman, Pharao, Wasserpfeife rauchender Orientale oder sogar als Marilyn Monroe.
Zur Eröffnung der Ausstellung sprechen:
Thomas Härtel, Staatssekretär, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport
Bernd Wolfgang Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie
Eberhard Ninow, Oberstudiendirektor, Lilienthal - Oberschule
Angelika von Stocki, Projektleiterin, Lilienthal - Oberschule
Projektentwicklung
Das Motiv und die Aufgabenstellung des Projektes "Mona Lisa geht zur Love Parade" fand bei den MitarbeiterInnen der Besucher-Dienste und der Gemäldegalerie Berlin großes Interesse, so dass sich eine Kooperation ergab. Auf dieser Grundlage wurde das Projekt anhand von Caravaggios Gemälde "Amor als Sieger" fortgeführt. Dazu wurden verschiedene Lerneinheiten direkt in der Gemäldegalerie durchgeführt.
Kurzbeschreibung des Projektes
"Mit dem Projekt "Metamorphosen - Mona Lisa und Amor in neuem Gewand" möchten wir, gerade vor dem Hintergrund der Ergebnisse der PISA-Studie und neuerer internationaler Bildungsvergleiche (vgl. OECD-Studie), einen Weg für die Bedeutsamkeit der künstlerischen Bildung aufzeigen.
Bilder und Zeichen bestimmen unser heutiges öffentliches Leben ganz wesentlich. Griffige Slogans und überzeugende Ideen werden durch Bilder in Sekundenbruchteilen an die Betrachter und Konsumenten übermittelt. Die Bilderflut schreitet ungebändigt voran: Telefone dienen nun auch der visuellen Kommunikation. Wer sich in Gegenwart und Zukunft behaupten möchte, muss sich dieser Bilderflut stellen, mit ihr arbeiten, sie sich zunutze machen".
Die Grundlagen der vielen, aktuell wirksamen Bildstrategien führen in die Geschichte zurück. Bereits in der Kunst der Renaissance und des Barock formten sich Archetypen der figurativen Inszenierung, des Bildaufbaus und der Wirklichkeitswahrnehmung, die sich heute in jedem banalen Werbeträger wieder finden. Die kreative Einführung in die Geschichte der bildenden Kunst hilft also wesentlich zum Verständnis der heutigen visuellen Kommunikation. Deshalb studieren Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Museums-Projektes die bildnerischen Ausdrucksmöglichkeiten der "Alten Meister" an den Originalen und überführen sie in neue Gewänder: "Alte Meister in neuem Gewand".
"Kreative Einführung" bedeutet, dass sich Schülerinnen und Schüler mit den Klassikern der Kunstgeschichte vertraut machen und sich aktiv in einem bildnerischen Arbeitsgang zentrale Motive und Formen dieser Klassiker aneignen. Kunstunterricht kann nicht allein bei einer bloßen Wissensvermittlung, die Schülerinnen und Schüler in eine passive Rolle drängt, stehen bleiben. Vielmehr sollen sie sich in einer Form des handelnden Lernens mit den Grundlagen unserer Kulturgeschichte befassen.
Ein wichtiger Ort dieser Vermittlung ist das Museum. Es wird zum Lernort und zur Bildungsstätte, eine universale Schatzkammer unserer Geschichte und Kultur. Damit werden Brücken zur Vergangenheit angelegt und ein Bewusstsein für die Traditionen unserer Kultur angeregt.
Zwei Klassiker der Kunstgeschichte sind die zentralen Motive des Museums-Projektes: Leonardos "Mona Lisa" und Caravaggios "Amor als Sieger".
Unter dem Motto "Mona Lisa geht zur Love Parade" gestalteten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8-10 eine Folge ganz unkonventioneller Variationen zu dem unsterblichen Motiv von Leonardos Gioconda (1503-06). Ihr distanzierendes, rätselhaftes und vieldeutiges Lächeln kontrastierten die Schüler mit gewagten Frisuren und farbigen Make-up´s. Die Klassizität und die strenge Komposition des Vorbildes wurden durch den zeitgenössischen Eingriff radikal durchbrochen. Die heutige gestalterische Interpretation führte zur sozialen und kulturellen Verfremdung.
Statt der norditalienischen Landschaft verorteten die Schülerinnen und Schüler ihre Mona Lisa als eine Berlinerin: Vor der Kulisse des Berliner Tiergartens, vor Siegessäule und Brandenburger Tor blicken die Schönen unserer Tage uns nicht weniger herausfordernd an. Dennoch ließen die Schülerinnen und Schüler den bildnerischen Kern, die Komposition und die Haltung der Figur, unangetastet, so dass der Rückbezug zum Original stets mitspricht. So ist aus der Aufgabenstellung eine kreative Bildfolge hervorgegangen.
Den "Amor der Kulturen" - frei nach Caravaggio - gestalteten die Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe als Halbfigur und fügten ihn durch farbenfrohe Kostüme und Trikots in einen fröhlichen und friedvollen Kontext ein. Sie legten Amor vielfach als eine musikalische und tänzerische Figur an. Die regionalen Kostüme nutzten die Schülerinnen und Schüler zum Ausdruck friedlicher Werte, die allen Kulturen gleich sind.
Die Schülerinnen und Schüler der Kunst-AG (10.- 13. Jahrgangsstufe) befassten sich mit der ganzen Figur des Amor. Sie deuteten Amor nicht nur als Liebesengel, sondern bezogen ihn direkt auf Kunst und Kultur: Amor als die göttliche Inspiration der bildenden Kunst über Mirò-, Marc-, Macke-, Modigliani- und Picasso-Zitaten schwebend. Amor als eine Ikone der Filmgeschichte von Marilyn Monroe verkörpert und Amor als Spiderman mit übermenschlichen Fähigkeiten. Andere Arbeiten kleideten Amor mit historischen und geografischen Kostümen und verstanden den Engel als eine universelle, alles verbindende Figur. Über historische und kulturelle Grenzen hinweg interpretierte eine Arbeit Amor auch als eine Inspiration des Freiheitskampfes: Sophie Scholl, Nelson Mandela, Martin Luther King, Che Guevara und Mahatma Gandhi - sie alle wirkten im Sinne einer Liebe für den Menschen, für die Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen.
Das Museums-Projekt konzentrierte sich auf zwei berühmte Vorbilder. Gerade wegen ihrer weiten Bekanntheit ermöglichten diese Motive dem gestalterischen Schaffen der Schülerinnen und Schüler ein großes Arbeitspotential: Der Verfremdungseffekt hatte hier einen großen Spiel-raum, weil das Ursprungsmotiv in das kollektive Gedächtnis der Öffentlichkeit förmlich eingebrannt ist. Sowohl Leonardo als auch Caravaggio boten eine große Vielfalt der Interpretationen und zeigen uns nun ein beeindruckendes Wechselspiel von Irritation und Erkenntnis.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Gemäldegalerie
Stauffenbergstraße 40
10785 Berlin
Tel.: 030 - 266 2101
Fax: 030 - 266 2103
Ausstellungsdauer: 13. Mai bis 17. Juli 2005